10. JULI 2024
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FAMILIE
(Zu) grosse Verantwortung für Kinder und Jugendliche
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz gibt es gemäss Schätzungen 50'000 Young Carers.
- Als Young Carer ist es wichtig, gut zu sich selbst zu schauen.
- Hol dir Hilfe, wenn dir die Verantwortung zu viel wird.
- Du darfst «Nein» sagen.
Bist du ein Young Carer?
Young Carers sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren, die sich regelmässig um jemanden kümmern, dem es schlecht geht. Als junge Pflegende tragen sie eine grosse Verantwortung, welche einen Grossteil ihres Alltags bestimmt. Sie kümmern sich beispielsweise um:
- eine Person mit einer körperlichen Krankheit (zum Beispiel Krebs oder Multiple Sklerose)
- Angehörige mit einer psychischen Krankheit (zum Beispiel Depression oder Angststörung)
- eine Person mit einer kognitiven Beeinträchtigung (zum Beispiel Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Demenz)
- jemanden nach einem Unfall
- Angehörige mit einer Suchterkrankung
- eine betagte Person
Diese Person kann aus der Familie stammen, wie etwa die Mutter, der Vater, die Grosseltern oder Geschwister. Es kann aber auch eine Person aus dem näheren Umfeld sein, beispielsweise eine Nachbarin oder eine Freundin.
Das tun Young Carers
- Young Carers helfen im Haushalt: Sie kochen, putzen, waschen oder erledigen den Einkauf.
- Young Carers pflegen und betreuen kranke oder alte Personen: Sie helfen beim Anziehen, unterstützen bei der Körperpflege oder achten darauf, dass Medikamente korrekt eingenommen werden.
- Young Carers übernehmen administrative Aufgaben: Sie planen Termine, schreiben Briefe, beantworten E-Mails oder organisieren Arztbesuche und Medikamente.
- Young Carers unterstützen emotional: Sie begleiten zu Arztterminen, trösten, muntern auf und geben Halt, indem sie da sind, wenn sie gebraucht werden.
- Young Carers kümmern sich um Geschwister: Sie passen auf sie auf, begleiten sie in den Kindergarten oder die Schule und übernehmen Verantwortung für sie.
In der Schweiz gibt es gemäss Careum Hochschule Gesundheit über 50’000 Young Carers. Schätzungsweise sind acht Prozent der Schweizer Kinder und Jugendliche junge Pflegende − das sind acht von hundert Kindern. Oft übernehmen sie die ganze Verantwortung für ihre Familie, treffen Entscheide und stemmen den Alltag.
Denk trotz grosser Verantwortung auch an dich
Es kann sehr anstrengend und belastend sein, sich um jemanden zu kümmern. Wenn man dann noch Schule, Ausbildung, Freunde, Freizeit und Hobbys unter einen Hut bringen muss, wird es schnell stressig oder gar zu viel. Gönn dir deshalb zwischendurch eine Auszeit und lade deine Energie wieder auf. Beschäftige dich mit Dingen, die dir Freude bereiten. Finde etwas, das dich für eine Weile alles andere vergessen lässt. Triff dich mit Freundinnen und Freunden, mache Sport, sei kreativ oder entspanne dich einfach mal.
Wichtig zu wissen ist, dass du als Young Carer jederzeit das Recht hast «Nein» zu sagen, wenn du etwas nicht leisten kannst oder nicht leisten möchtest. Im Alltag kann es jedoch sehr schwierig sein, sich abzugrenzen, besonders wenn jemand aus deiner Familie Hilfe braucht und vielleicht noch jüngere Geschwister da sind. Trotzdem darfst du dir Zeit für dich nehmen. Du musst deswegen kein schlechtes Gewissen haben. Es ist wichtig, dass du als Young Carer auch an dich selbst denkst. Denn du kannst nur für andere da sein, wenn es dir selbst gut geht.
Probleme in der Schule/Lehre als Young Carer
Manchmal kann es schwierig sein, seine Aufgaben als Young Carer mit der Schule oder der Ausbildung in Einklang zu bringen. Vielleicht fehlt dir die Zeit oder die nötige Unterstützung der Eltern für die Hausaufgaben oder du kommst manchmal zu spät, weil du deine jüngeren Geschwister in die Kita bringen musst. Viele Lehrpersonen und Vorgesetzte haben Verständnis, wenn sie von deiner Situation wissen. Sie können dir auch helfen, Unterstützung zu erhalten. Deshalb kann es sinnvoll sein, wenn du in der Schule oder der Lehre von deiner Tätigkeit als Young Carer erzählst. Du darfst aber selbst entscheiden, was du erzählst. Ausserdem müssen Lehrpersonen und Vorgesetzte deine Informationen vertraulich behandeln.
Hol dir Hilfe, wenn es dir zu viel wird
Wenn du merkst, dass du erschöpft bist, schlecht oder zu wenig schläfst, dich deine Situation als Young Carer emotional sehr aufwühlt oder du dich permanent gestresst fühlst, sind das Zeichen, dass du an deine Grenzen stösst oder sie sogar überschreitest. Spätestens dann ist es höchste Zeit, für dich selbst einzustehen, indem du dir Unterstützung von Fachpersonen holst.
Du darfst dich rund um die Uhr an die Beratung 147 wenden. Die Berater*innen schauen mit dir, was du brauchst und wo du Hilfe erhalten kannst. Die Schulsozialarbeit deiner Schule kann dich bei persönlichen oder schulischen Problemen unterstützen. Der Hausarzt oder die Hausärztin der Person, die du betreust, kann externe Hilfe in der Betreuung verordnen, beispielsweise durch die Spitex.
Bei Problemen in der Familie kann die Scham gross sein, sich einer Person ausserhalb der Familie anzuvertrauen. Doch werden Fachpersonen das, was du sagst, vertraulich behandeln und dich oder deine Familie nicht verurteilen. Du brauchst auch keine Angst davor zu haben, von zu Hause weg zu müssen, weil deine Eltern sich nicht ausreichend um dich und deine Geschwister kümmern können. Vielmehr wird es darum gehen, dass deine Eltern die notwendige Unterstützung erhalten, damit ihr als Familie zusammenbleiben könnt.
Triff andere Young Carers
Möchtest du dich gerne mit anderen austauschen, die in einer ähnlichen Situation sind? Das Schweizerische Rote Kreuz organisiert in Zürich Treffen für Young Carers.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Careum Hochschule Gesundheit (CHG) entstanden, als Teil des Projekts «Unterstützungsangebote für Young Carers». Das Projekt diente der Sensibilisierung und Entlastung von Young Carers und wurde von Beisheimstiftung, Gesundheitsförderung Schweiz, Ernst Göhner Stiftung, Migros Kulturprozent und Lions Club mit dem das Projekt Gottardo finanziert.