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13. MÄRZ 2023
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SEXUALITÄT

Sexuelle Gewalt – verboten ist, was du nicht willst

Sexuelle Gewalt – verboten ist, was du nicht willst
Sexuelle Gewalt ist, wenn jemand sexuelle Dinge tut, die der andere nicht will oder nicht verhindern kann. Sexuelle Gewalt ist verboten. Und zwar auch dann, wenn sie von jemandem kommt, den du sehr gerne hast. Erfahre, wo du Hilfe bekommst.

Das Wichtigste in Kürze

  • Es gibt verschiedene Formen sexueller Gewalt.
  • Sexuelle Gewalt wird oft von nahestehenden Personen ausgeübt.
  • Es ist wichtig, dass du dir bei sexueller Gewalt Hilfe holst.
  • Sexuelle Gewalt ist für Betroffene sehr belastend.

Das ist sexuelle Gewalt

Sexuelle Handlungen gegen den Willen eines Menschen werden auch als sexualisierte Gewalt, sexuelle Übergriffe oder sexueller Missbrauch bezeichnet. Nicht jede sexuelle oder erotische Anspielung ist sexualisierte Gewalt. Doch es ist klar: Sobald es jemandem unangenehm wird, ist eine Grenze erreicht. Es geht dann darum, das Wohlbefinden wiederherzustellen. Das geht nur, wenn sich zwei Personen gleichberechtigt begegnen. Genau dies ist bei sexualisierter Gewalt nicht der Fall.

Oft wird sexuelle Gewalt von nahestehenden Personen ausgeübt: Freunden, Eltern, Familienmitgliedern, von Sport- und Freizeitleitenden oder anderen Bezugspersonen.

Sexuelle Gewalt kann sich unterschiedlich zeigen. Manchmal beginnt sie schleichend. Nicht nur Handlungen, sondern auch Worte können sexuelle Gewalt sein. Hier findest du einige Beispiele:

  • Jemand bedrängt dich sexuell mit Bemerkungen, Gesten oder Berührungen.
  • Jemand zeigt dir ungewollt seine Geschlechtsteile oder pornografische Darstellungen.
  • Jemand tut sexuelle Dinge, die du nicht magst.
  • Jemand zwingt dich zu Geschlechtsverkehr.
  • Jemand nimmt dich nicht ernst, wenn es dir mit einer sexuellen Handlung nicht wohl ist, und will dich dazu überreden. Die Person behauptet, alle täten das, oder macht einfach weiter.
  • Jemand nützt deine Schwäche, Abhängigkeit oder Wehrlosigkeit aus. Zum Beispiel, wenn du jung bist, kein Einkommen oder keine Aufenthaltsbewilligung hast. Oder wenn du dich nicht klar äussern kannst, weil du benommen, betrunken oder bekifft bist.
  • Jemand droht, etwas zu tun, wenn du gewisse sexuelle Handlungen nicht ausübst.

Was tun bei sexueller Belästigung?

Wenn du sexuell bedrängt wirst – mit Bemerkungen, Gesten oder Berührungen –, dann sage, falls möglich, laut und deutlich: «Hör auf. Ich will das nicht. Nimm deine Hände weg!» oder ruf laut um Hilfe. Wirst du online sexuell belästigt, reagiere nicht. Sperre den Nutzer oder die Nummer und melde den Vorfall der Polizei.

Betroffene sind nie schuld

Betroffene von sexueller Gewalt müssen leider auch heute oft noch hören, sie seien selber schuld: Sie hätten sich aufreizend gekleidet, zu viel Alkohol getrunken oder sich nicht genug gewehrt. Dies führt dazu, dass viele Betroffene sich schuldig fühlen. Sie schämen sich und trauen sich nicht, über die Tat zu sprechen.

Für sexuelle Gewalt ist immer die Tatperson alleine verantwortlich. Alle können von sexueller Gewalt betroffen sein, egal wie alt sie sind und wie sie aussehen. Über Widerstand oder ein Nein setzt sich die Tatperson oft hinweg.

Bei traumatischen Ereignissen wie zum Beispiel einer Vergewaltigung ist es zudem eine übliche Schutz- respektive Stressreaktion, zu erstarren oder sich gelähmt zu fühlen. Doch auch wenn eine Person sich nicht wehren kann, heisst das nicht, dass sie ihre Zustimmung gegeben hat.

Sexuelle Gewalt ist psychisch sehr belastend

Sexuelle Übergriffe oder eine Vergewaltigung können das ganze Leben erschüttern und verändern. Die Reaktion nach einer solchen Tat kann sehr vielfältig und sehr unterschiedlich sein. Es gibt Kinder und Jugendliche, die das Erlebte verdrängen. Damit schützen sie sich. Sie können sich dann kaum daran erinnern. Oft treten Scham- und Schuldgefühle auf. Einige Betroffene ziehen sich zurück, erleben Angstzustände, schlafen schlecht und können sich schlecht konzentrieren. Es kann sein, dass man funktioniert wie immer, sich aber wie in einem Vakuum fühlt.

Viele Betroffene haben Flashbacks. Sie erleben die Tat in Gedanken oder Träumen immer wieder. Andere fallen in dissoziative Zustände. Dabei werden Erinnerungen, Sinneseindrücke, Gefühle, Wahrnehmungen und Körperempfindungen abgespalten, um das Unerträgliche nicht spüren zu müssen oder sogar ganz zu vergessen – ähnlich Tieren, die sich tot stellen. Manche erkranken nach einer solchen Tat psychisch. Sie entwickeln etwa eine posttraumatische Belastungsstörung, Depression, Suchterkrankung oder Essstörung. Es kann auch zu selbstverletzendem Verhalten oder Suizidgedanken kommen.

Weshalb Betroffene oftmals schweigen

Leider schweigen Betroffene oft und sprechen nicht über die Tat. Ihnen ist vielleicht nicht bewusst, dass ihnen Unrecht geschehen ist. Sie fühlen sich mitschuldig, schämen sich oder haben Angst, dass ihnen niemand glaubt.

Hilfe zu suchen, ist besonders schwierig, wenn die Person, die den Übergriff beging, einem nahesteht. Denn trotz der Vorkommnisse bleibt die Person wichtig. Man möchte sie weder verlieren noch ihr schaden. Es ist deshalb verständlich, dass Betroffene diese Person schützen möchten. Viele haben auch Angst, dass die Familie auseinanderbrechen könnte. Andere befürchten, dass alles noch schlimmer wird, weil niemand einem glaubt.

Oft gelingt es Tätern zudem, eine Machtposition aufzubauen. Sie verhängen ein Redeverbot, isolieren die Betroffenen, bedrohen sie und machen sie abhängig. Das schafft ein Klima der Angst und Verschwiegenheit. Man kann sich nicht vorstellen, wie man aus diesem System aussteigen könnte. Doch es ist möglich.

Hilfe holen bei sexueller Gewalt

Trotz Impuls dich zurückzuziehen: Tritt mit einer Vertrauensperson in Kontakt und sprich darüber. Falls du unsicher bist oder dich unwohl fühlst, dich jemandem aus deiner Umgebung anzuvertrauen, kannst du dich an eine Opferberatungsstelle wenden. Auch wir von der Beratung 147 sind jederzeit für dich da. Du kannst uns schreiben oder uns anrufen.

Es braucht Mut, sich Hilfe zu holen. Wenn es dir noch nicht gelingt, darüber zu sprechen, ist das okay. Setz dich nicht unter Druck. Achte darauf, was dir im Moment guttun würde und was nicht. Manchen hilft es, darüber zu sprechen. Andere schreiben lieber erstmal alles in ihr Tagebuch oder beschäftigen sich gar nicht mit der Tat. Manche Betroffene brauchen sehr lange, manchmal sogar Jahre, bis sie so weit sind, darüber zu sprechen.

  • Bist du verletzt, ist es wichtig, dass du dich medizinisch behandeln lässt, im Spital oder einer frauenärztlichen Praxis.
  • Falls es zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gekommen ist, kannst du dir in der Apotheke die «Pille danach» holen. Allenfalls möchtest du auch eine HIV-Notfallbehandlung PEP machen, um eine HIV-Infektion zu verhindern.
  • Ziehe auch eine Spurensicherung in Betracht. Eine solche bedeutet nicht zwingend, dass du Anzeige erstatten musst. In gewissen Kantonen ist eine Spurensicherung auch ohne Anzeige möglich. So sind die Beweise für den Fall, dass du später Anzeige erstatten möchtest, vorhanden. Achte aber darauf, dass du Spuren nicht vernichtest, indem du etwa vorher duschst. Kleider, Bettwäsche oder Slipeinlagen solltest du in einer Tasche aufbewahren und zur Spurensicherung mitbringen.

Unterstützung für Betroffene von sexueller Gewalt

Wenn du von sexueller Gewalt betroffen bist, hast du das Recht, dich bei der Opferhilfe beraten zu lassen. Die Opferhilfe ist auf sexuelle Gewalt spezialisiert. Beratungen sind kostenlos und absolut vertraulich. Sobald du den Schritt gewagt hast, dich einer spezialisierten Stelle anzuvertrauen, bist du nicht mehr allein.

Die Beratenden schauen mit dir gemeinsam, wie du dich vor weiteren Übergriffen schützen kannst. Ebenso wird geschaut, wie du den oder die Übergriffe verarbeiten kannst. Bei Bedarf wird therapeutische Unterstützung vermittelt und finanziert.

Wenn du eine Anzeige in Betracht ziehst, solltest du zwingend vorher mit der Opferhilfe sprechen. Dort wirst du darauf vorbereitet, was auf dich zukommen könnte. Auch können Fachpersonen dich bei Bedarf zu Befragungen begleiten. Die Polizei wird niemals ohne deine Zustimmung eingeschaltet.

Sorge gut für dich: Tipps, was du tun kannst

  • Nimm deine Bedürfnisse wahr: Was brauchst du gerade?
  • Sorge für ausreichend Bewegung und Erholung.
  • Trotz Impuls, dich zurückzuziehen: Bleib in Kontakt mit Menschen, die dir guttun und wichtig sind.
  • Falls noch Kontakt zum Täter besteht: Überlege dir, ob dir der Kontakt guttut und wie du dich vor weiteren Übergriffen schützen kannst. Hol dir hierfür Unterstützung bei einer Opferberatungsstelle.
  • Bei Flashbacks und Dissoziation: Unterbrich sie, indem du dich ins Hier und Jetzt zurückholst. Sprich laut aus, wie du heisst, wie alt du bist, welches Datum und Uhrzeit heute ist oder wo du bist. Mach dir bewusst, dass du in Sicherheit bist. Schau dich im Raum um und beschreibe, was du wahrnimmst. Nimm den Boden unter deinen Füssen wahr und erde dich. Atme gezielt in den Bauch hinein. Teste weitere Bewältigungsstrategien.
  • Kennst du eine Person, die sexuelle Gewalt erlebt hat? Erfahre, wie du reagieren kannst, wenn dir jemand von sexueller Gewalt erzählt.

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